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Miliö und Korkens: Weltraumbeats treffen auf metaphorische Texte

by Carla Cingil
08.07.2022

Weltraumbeats treffen auf metaphorische Texte.
Rapper und Produzenten gehören zusammen wie Foto und Synthese. Die beiden Duisburger haben sich gesucht und gefunden – Das Resultat: Eine musikalische Beziehung auf Augenhöhe.

Wer an Duisburg denkt und noch nie vor Ort war, würde die Stadt wahrscheinlich nicht als eine Oase der Inspiration bezeichnen. Auch wenn der Fleck im Pott für viele als kulturelles Brachland gilt, trübt der Schein, denn zwischen den unendlich vielen Brautmodenläden und grauer Industrie leben eine Menge kunstschaffende Personen. So auch Rapper Javi (28), der unter dem Künstlernamen Miliö auftritt und Produzent Korbinian (24) aka Korkens.

Als sie sich 2019 in einer WG über den Weg gelaufen sind, war sofort klar, dass sie sich connecten müssen: „Ich kannte Korbi schon vom Sehen her und habe mitbekommen, dass er Beats macht, sein Sound war genau mein Film zu der Zeit“, erzählt Miliö. Auch Korkens kannte Miliö flüchtig, da dieser zuvor mit der Gruppe Jin.JangCliqq Musik veröffentlichte.

Nach der ersten Begegnung fand relativ schnell die erste Studiosession in Korkens Ein-Zimmer-Wohnung statt. Das Ergebnis nach 8 Stunden Arbeit: Der erste Song. „Das war richtig übertrieben, aber dann war‘s zwischen uns eigentlich fix“, so Korkens.

Obwohl die beiden zuvor mit anderen Menschen Musik gemacht haben, war kurz darauf klar, dass sie nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich zusammenpassen: „Die Musik hat uns zusammengeführt, unsere Charaktere haben den Rest erledigt“, so Miliö.

So entstand nach relativ kurzer Zeit eine musikalische Beziehung auf Augenhöhe: „Wenn Javi jetzt Beats pickt, dann stammen sie von mir“, so Korkens.Mittlerweile haben sie zusammen 15 Lieder auf Spotify und YouTube veröffentlicht. Von den 30-40 Liedern, die noch auf der Festplatte schlafen, mal ganz abgesehen.

Einer der ersten Songs auf Spotify heißt ‚Rover‘. Lines wie: „Kein Tatendrang, halte nur den Atem an Prädikat warte man, alles fängt mit Fragen an. Dancemoves, und ich Rauch zu meinem Fado, tauch zu tief im lago, brauch zu viel vom Nahtod“, geben einen kleinen Vorgeschmack auf das erste  gemeinsame Album ‚Marsmelo‘.

Wie der Name des ersten Albums verrät, haben die tracks oft einen Bezug zum Weltraum: „Er will immer ins All fliegen. Das ist immer der Modus, er schießt nach oben, weil er sich die Welt einmal von oben angucken möchte und dann will er noch weiter darüber hinaus, aber nicht so schmierig, sondern cool auf eine verständliche Art und Weise. Meistens schießt er metaphorisch über den Horizont hinaus und so sind die Beats dann auch“, erklärt Korkens.

Eine Produktion, die schnell viel Aufmerksamkeit bekommen hat, jedoch vom Beat her eher einfach gehalten ist, trägt den Namen ‚Duisburg Hbf‘. Gemeinsam mit Rapper Fruity Luke kreierten sie eine Hommage an, wer hätte es gedacht, den mit Panzertape zugeklebten Duisburger Hbf. „Ich werde keine andere deutsche Stadt bewohnen, außer Duisburg“, ist sich Miliö sicher.

Eine Platte aus verschiedenen Musikstilen

Wenn man den Sound der verschiedenen tracks beschreiben möchte, muss früher oder später die Wörter ‚Untergrund Deutschrap‘, ‚Cloud Rap‘ und ‚Metaphern‘ benutzen. Die für Cloudrap typischen weiten sphärischen Synthesizer-Klänge verbunden mit Autotune als Stilmittel sind wegweisend für die Musik der beiden. Jedoch kann man selten Musik einem Genre alleine zuordnen: „Es ist Mukke, die dem Deutschrap Untergrundhörer nicht fremd vorkommt. Ab und zu macht unsere Musik aber auch Ausflüge in RnB. Im Prinzip ist es eine Palette von verschiedenen Stilen denen wir uns bedienen“, erklärt Korkens. Die Texte sprudeln nur so von Doppeldeutigkeiten oder aufeinander abgestimmten Metaphern. „Oft sind meine Texte melancholisch, das hat auch viel mit Selbstreflexion zu tun – hochschweben, aber tief fallen. Letztens hat jemand etwas gesagt, was ich ganz süß fand, und zwar, dass ich es irgendwie ganz gut schaffe, Freude zu versprühen, aber trotzdem traurig oder nachdenklich wirke. Das fand ich schon ganz passend“, so Miliö.

In einer neueren Veröffentlichung: ‚Estoy Cansado‘ versuchten sie neue Sachen auszuprobieren, so wurde der sonst eher langsame und leicht dunkle Beat durch einen flotteren ausgetauscht und das Autotune heruntergefahren. „Meiner Meinung nach sind wir gerade an etwas dran und das Lied geht schon eher in die Richtung, auf die ich richtig Bock hab“, so Miliö. Die Metaphorik in den Texten bleibt jedoch erhalten: „Balance/Ballons schon lang verloren gegangen, ich guck ihnen hinterher, die Chance schon lang verloren gegangen, doch ich hab‘ draus gelernt“ – „All diese Metaphern sind ja auch Metaphern für mich, ich weiß ja, was ich damit meine“.

Um das Thema Liebe kommen auch diese beiden Künstler nicht herum, so ist es vor allem in jüngeren Liedern neben anderen Emotionen oft ein topic: „Ich find, dass Hip-Hop der große Bruder ist, dem man noch so ekelhafte Wahrheiten über die Emotionen erzählen kann. Denn wem erzählst du es bitte, wenn du halbwegs erwachsen bist? Das ist das einzige, womit man alleine ist. Wenn man politisch unzufrieden ist kann man Aktivismus betreiben, man kann sich organisieren und in Gruppen diskutieren, aber über die Gefühle? Da geht man höchstens zum Therapeuten oder du hast halt deinen Bruder Hip-Hop, der das quasi auffängt“, so Korkens.

Musik im Allgemeinen aber vor allem das Genre Rap lebt von Spontanität und zufälligen Einfällen: „Unter so ganz komischen Druck kann er am besten arbeiten. Wenn der keinen Druck hat, dann ist der Junge nicht so auf Sendung. Die besten Sachen entstehen immer, wenn man sagt, Korbi 30 Minuten und du hast einen Beat. Das nimmt er dann als Ansporn und nach 30 Minuten hat er dann einen geilen Beat. Und dann sagt er zu mir, okay halbe Stunde Text schreiben und dann mach ich das und es ist auch geil“, erzählt Miliö. Also quasi wie zwei Diamanten, die nur unter Druck funktionieren. „Aufgewachsen in der Zeitarbeit“, fügt Korkens hinzu.

Apropos aufgewachsen, Korkens wuchs im Gegensatz zu Miliö, der Duisburger durch und durch ist, in einer Kleinstadt am Niederrhein auf: „Dort ging kulturell überhaupt nichts außer so‘n paar Ska- und Schuldbands“. Obwohl er zu der Zeit Schwierigkeiten hatte, musikalische Vorbilder oder Mentor:innen in unmittelbarer Nähe zu finden, bekam er eines Tages in der 7. Klasse von einem Kumpel einen USB Stick mit einem Mischprogramm zugesteckt. „Ich habe mit Dubstep angefangen, weil man das easy nachbauen konnte. Gut war das allerdings überhaupt nicht, aber ich bin halt drangeblieben. Viele haben zu dieser Zeit aufgehört und ich habe es halt als Hobby gesehen und immer weiter gemacht“. Nach den Anfängen im Dubstep folgten weitere Exkursionen in House, Drum and Bass und anderen Genres: „Ich hab irgendwie alles aufgesogen, was ich so gehört habe und dann nachgemacht und das war dann so die erste Intention“.

Wie bei Korkens begann die Leidenschaft zur Musik bei Miliö in jungen Jahren. Sein erstes Album war der Klassiker ‚get rich or die tryin‘ von 50 Cent: „Da war ich ungefähr 12 Jahre alt und ich habe das auch nur bekommen, weil ich meiner Mutter gesagt habe, dass ich aufhöre, mit meinen Fingern zu knacken. Dann hat meine Mutter mir das Album gekauft und ja natürlich habe nicht aufgehört mit meinen Fingern zu knacken“, erzählt er lachend. Nach 50 Cent folgte die Musik von Eminem oder verschiedene Sampler des Berliner Hip-Hop Labels Aggro Berlin. „Mein damaliger Fußballlehrer hat mir die Aggro Ansage Nummer 2 gebrannt, das war auf jeden Fall mein Film. Da meinte meine Mutter auch: Du kannst dir nichts merken, aber so den ganzen part von B-tight mitrappen.“

Seine ersten eigenen Rapversuche machte er im Alter von 15/16, seine Leidenschaft zu Wörtern fand er allerdings schon vorher: „Ich hatte immer schon eine Verbindung zur Sprache. In der Schule konnte ich auch übelst geile Gedichte schreiben“.

Irgendwann fing er an, anstatt Gedichte Battletexte zu schreiben und daraus entwickelte sich wiederum irgendwann Freestyle – das alles jedoch ohne Beat. „Wenn ich alleine nach Hause gegangen bin, hab‘ ich auch fast nie Musik gehört, sondern selber gerappt – das liegt vielleicht auch daran, dass ich meine Kopfhörer immer nach einem Tag verliere- vielleicht bin ich auch deswegen Rapper, weil ich nie Musik hören konnte auf dem Heimweg“, erzählt er lachend.

Mittlerweile ist zusammengekommen, was zusammengehört: Beats und Text. Auch wenn beide zuvor schon mit anderen Menschen Musik gemacht haben, sind sie sich einig, dass diese Partnerschaft noch ein wenig andauern wird: „Das ist schon gut so wie es jetzt ist“, sind sich beide sicher. Für die Zukunft planen sie ein neues Album und mehr Auftritte. Wann das Album jedoch fertig ist, steht noch in den Sternen: „Die post-Produktion hängt alleine an mir und wenn ich mal was anderes um die Ohren habe, dann läuft halt leider nichts, deswegen verzögert sich das dann regelmäßig, aber ich tu mein Bestes, dass es demnächst erscheint“, so Korkens. „Das, was jetzt fertig ist, ist auf jeden Fall schon geil, da kann man sich drauf freuen“, fügt Miliö hinzu.

Wer die Beiden live spielen sehen möchte, erfährt alles Wichtige über ihre Socialmedia Kanäle (Korkens / Miliö). Unabhängig von Auftritten in verschiedenen Clubs oder Bars wollten sie jedoch auch etwas Eigenes machen. So entstand vor ein paar Wochen die Veranstaltungsreihe Rheingigs. „Ich wollte was auf die Beine stellen, was unabhängig von all den Menschen und Dingen ist, was wir eben selber mit unseren eigenen connections machen. Sowas fehlt in Duisburg einfach so krass“, erklärt Miliö.

Kommende Veranstaltungen werden kurzfristig über Instagram bekannt gegeben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die beiden noch am Anfang ihrer Karriere stehen. Man kann also gespannt sein, was in den kommenden Monaten und Jahren noch aus ihnen wird und wie sie sich entwickeln.

 

Spotify: Miliö. / Korkens

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The Author

Carla Cingil

WER IST DIESE CARLA? Das bin dann wohl ich, Carla Cingil. Seit ein paar Jahren bin ich als Journalistin unterwegs und habe bereits für verschiedene Printmedien geschrieben. Nun habe ich mich dazu entschieden, meine eigene Plattform zu gründen. Warum? Ganz einfach: Damit ich tun und lassen kann, was ich will. Wenn ich mich mal nicht als rasende Reporterin versuche, studiere ich Politikwissenschaft, stehe auf der Theaterbühne, tanze irgendwo in der ersten Reihe oder schlendere durch Kunstausstellungen. In Carlas Kolumne geht es hauptsächlich um die Themen Musik und Politik. Stets nach dem pathetischen Motto: Musik im Herzen und Politik im Kopf. Da allerdings noch viel mehr interessante Themen zwischen den beiden existieren, werden auch diese immer mal wieder aufgegriffen. Neben journalistischen Artikeln werden mit der Zeit auch Kommentare, Videointerviews oder Podcasts veröffentlicht. Jeden zweiten Samstag erscheint neuer Content zum Konsumieren. Damit ihr euch in der Zwischenzeit nicht langweilt, gibt es oben eine Playlist, die monatlich aktualisiert wird. Das war‘s erstmal, ich wünsche euch viel Spaß!

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