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Kay Shanghai: Zwischen Club und Rap Life

by Carla Cingil
06.25.2022

Als erster offen schwuler Rapper Deutschlands und außergewöhnlicher Clubbesitzer ziert er die Medien. Aber wer steckt eigentlich hinter den Namen? Und wie fing alles an? Warum zur Hölle klingen die Songs echt gut, obwohl sie von einem Clubbesitzer stammen? Und weshalb heißt der Kerl Shanghai mit Nachnamen? Fragen über Fragen.

Also fangen wir erstmal ganz am Anfang an.

Wenn er, basierend auf seinen Charaktereigenschaften, ein Gemüse wäre, würde er eine Artischocke sein: „Weil mag nicht jeder und die ist irgendwie auch sehr saftig. Die Leute mögen oft keine Artischocke auf ihrer Pizza und dann muss ich sie immer eines Besseren belehren und ich glaub, bei mir lassen sich die Leute auch gerne eines Besseren belehren“.

Vor 18 Jahren eröffnete er mitten in Essen seinen Club ‚Hotel Shanghai‘. Ein kleiner bunter Ort, in dem es Veranstaltungen von Trash Pop bis Rap hin zu Techno gibt.

Angefangen hat es jedoch viel früher im Autonomen Zentrum in Mülheim a.d.Ruhr.

Gemeinsam mit Freunden organisierte er seine erste Partyreihe ‚me beast‘, bei der er bereits hohe visuelle Ansprüche hatte: „Es gab einen Käfig-Rahmen mit angeschmortem Plastik und drin tanzten Balletttänzer, die ihre Arme aus dem Käfig streckten“.

Nach einigen Jahren in der Szene hatte er eines Tages seinen eigenen Club, in dem nicht nur er, sondern auch die Künstler:innen sich frei entfalten können: „Ich hab den Club immer für andere gemacht, weil es mir auch lange darum ging, die Künstler:innen auftreten zu lassen. Wenn die artists einen guten Abend haben, dann hab ich Spaß“, erklärt er.

Mittlerweile standen schon Künstler wie Lars Eidinger oder Mall Grab auf seiner stage.

Daher ist es auch nicht überraschend, dass der Ruf vom Hotel Shanghai die Grenzen des Ruhrpotts längst überschritten hat. „Ich sag immer, dass ist hier ein bisschen wie play school entertainment – also Unterhaltung und Erziehung. Ich glaub, für viele Leute ist das sehr ungewöhnlich, die kennen solche Clubs nicht. Die kennen nur Clubs, wo es dann Ärger gibt oder wo man sich gegenseitig weniger sein lässt und hier ist es das beste Beispiel dafür, wie gut Leute aus verschiedenen backgrounds sich auf sowas einigen können mit der Musik und dann steht auch alles andere im Hintergrund – das finde ich schön“.

Inzwischen ist der Club nicht nur für seine Partys, sondern vielmehr für Kay selbst bekannt. Stets nach dem Motto: Wenn man für etwas seinen Namen hergibt, muss man auch dazu stehen. „Man kann schon sagen, dass das hier ein Teil meiner Welt ist“.

2019 musste der Club Corona bedingt die Türen schließen, also hatte Kay mehr Zeit, sich anderen Sachen zu widmen. Obwohl er kein großer Fan von Social Media ist, fand er bereits vor der Pandemie Gefallen an Instagram und die User Gefallen an ihm. Auf seinem Account geht er wie im real life offen mit seiner Sexualität um: „Und dann habe ich gemerkt, dass ich den Leuten so ein wenig vor den Kopf stoße mit den Sachen, die ich in der story poste und das hat mir dann schon ein wenig Spaß gemacht“, erzählt er lachend.

Parallel zu dem Spaß auf Instagram ergab es sich, dass befreundete Produzenten ihn ins Studio eingeladen haben: „Dann machste halt einfach mal Sachen aus fun und guckst, was draus wird. Da war jetzt nicht wirklich der Plan dahinter, unbedingt ein Album zu machen, aber dann hatten wir irgendwie 3-4 Songs und das Label ist drauf angesprungen“. Mittlerweile ist er bei Groove Attack unter Vertrag: „Das ging so schnell, auch in dem Gespräch hab ich das gar nicht realisiert. Das war dann so okay, du hast jetzt einen Deal und die Leute wollen das, die sehen was in dir und das hat mich dann schon sehr gehyped“.

Kurz nachdem er mit seinen ersten Songs unter Vertrag stand, ging er mit dem Schweizer Musiker Dagobert auf Tour: „ Das war total geil“. Bei den paar Songs sollte es allerdings nicht bleiben, das Resultat: HARAM. Ein Album mit 10 Songs, Melo Sounds gepaart mit Rap und Hip-Hop Elementen.

Wer jetzt automatisch an plumpe Rap Songs denkt, die inhaltlich nur aus einem Satz bestehen und bei denen man sich fragen muss, ob der Wortschatz der Person dahinter einem Affen gleicht, täuscht sich. Die Lieder auf dem Album sind stilistisch von Metaphern, Direktheit und cleveren bzw. humorvollen Wortspielen geprägt.

Was seine Texte am meisten ausmacht, ist die Offenheit gegenüber seiner Sexualität – nicht ohne Grund wird er als der erste offen schwule Rapper Deutschlands bezeichnet. In den Songs ‚Schwänze seit der Schulzeit‘ und ‚Ananas‘ singt er unverblümt über Sex und die Anziehung zu anderen boys.

In seinem Song „Haram“ beschreibt er die Beziehung zu einer anderen Person und mit welchen Gefahren sie verbunden ist. „Letztendlich erinnert es mich an meine Jugendliebe, vielleicht habe ich ihm dieses Lied unterschwellig gewidmet, als ich es geschrieben hab. Manchmal ist es ja auch absurd. Man schreibt Songs und erst später verstehst du, was du wirklich geschrieben hast oder woher das kommt oder so. Das begreife ich dann manchmal erst viel später“.

Seine Platte hat den gleichen Namen, weil das Lied das stärkste auf dem Album ist. Übersetzt aus dem Arabischen bezeichnet das Adjektiv haram alles, was nach der Scharia unantastbar beziehungsweise verboten ist. „Es ist eine persönliche Entscheidung gewesen, ich bin in meinem Leben viel in vielen arabischen Ländern groß geworden. Etwas hat mir sehr gefallen, aber etwas hat mir auch gesagt, dass es brisant ist. Zum Beispiel mit den Vorstellungen unserer Freiheit in diesen Ländern zu sein. Es ist ja auch so, dass es in den Ländern auch Alkohol usw. gibt, es wird nur anders mit gespielt (…) Man kann sich so einen move auch nur leisten, wenn man mit der Community cool ist und das bin ich seit Jahren“.

Da er niemanden mit seinem Album auf die Füße treten wollte, war es ihm wichtig, dass es auch bei genau diesen Jungs ankommt: „Sie waren sehr stolz und das sind auch Jungs, die ich schon so lang kenne und die wahrscheinlich gar nicht erwartet haben, dass es so cool wird. Von denen die Komplimente zu bekommen, geht total runter“.

Obwohl er als erster offen schwuler Rapper des Landes bekannt ist, ändert das nichts an seinem Empfinden: „Es fühlt sich für mich jetzt nicht so anders an als vorher, weil letztendlich hab ich immer viel mit Kunst zu tun gehabt und hab dann eher andere Künstler:innen präsentiert wie deren Songs oder Kunst“, erklärt er. „Gang ganz früher haben Menschen immer gesagt ,Lebenskünstler und dann kam der Club und jetzt wird es wahrscheinlich nur Künstler heißen, das passt schon“, fügt er hinzu.

Der eigentliche Grund, weshalb er mit Musik angefangen hat, ist nicht der Wunsch, danach als Symbol für die LGBTQIA+ Szene zu sein, sondern eher weil er daran Spaß hat und gleichzeitig mehr Toleranz schafft: „Es geht eigentlich nur darum, diese Songs zu schreiben, um dann irgendwelche hetero Jungs sie singen zu hören, damit hab ich schon gewonnen. Dann hab ich nämlich die trojanischen Pferdchen reingebracht“, sagt er mit einem Grinsen im Gesicht.

Zusammenfassend kann wohl sagen, dass Kay Shanghai eine offene, entspannte Person ist, die einen Hang zum exzentrischen und exzessiven Leben hat, aber dennoch auf dem Teppich geblieben ist.

Aber eine Frage gibt es dann doch noch: Warum Shanghai? „Eine Freundin gab mir den Namen – ich hab damals noch einen für Flyer gesucht und da ich ursprünglich aus Wuhan komme kam sie irgendwie auf Shanghai“.

Stolz präsentiert er seinen Ausweis und es stimmt, oben rechts in der Künstlernamens-Spalte steht „Shanghai“. Also tut es auch nichts zur Sache wie Kays bürgerlicher Nachnamen lautet. Er ist komplett nebensächlich und wahrscheinlich benutzen ihn auch nur seine Ärzt:innen oder die Menschen von der Post.

Wer Kay Shanghai als Rapper erleben möchte, muss die Augen aufhalten, denn zur Zeit gibt er nur vereinzelte Gigs wie bspw. am 02. Juli im Neuer Aachener Kunstverein oder am 22. Juli in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt. Sein Album findet man auf allen gängigen Plattformen wie Youtube oder Spotify. Mittlerweile hat das Hotel Shanghai seine Türen wieder geöffnet. Für die Zukunft sind einige Veranstaltungen wie zum Beispiel ein Event in Kooperation mit einem Parkhaus in Planung. Veranstaltungstermine findet ihr auf der Website oder auf dem gleichnamigen Instagram Account.

 

 

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UP To Date. Mit der etwas anderen Kolumne für neugierige Menschen

The Author

Carla Cingil

WER IST DIESE CARLA? Das bin dann wohl ich, Carla Cingil. Seit ein paar Jahren bin ich als Journalistin unterwegs und habe bereits für verschiedene Printmedien geschrieben. Nun habe ich mich dazu entschieden, meine eigene Plattform zu gründen. Warum? Ganz einfach: Damit ich tun und lassen kann, was ich will. Wenn ich mich mal nicht als rasende Reporterin versuche, studiere ich Politikwissenschaft, stehe auf der Theaterbühne, tanze irgendwo in der ersten Reihe oder schlendere durch Kunstausstellungen. In Carlas Kolumne geht es hauptsächlich um die Themen Musik und Politik. Stets nach dem pathetischen Motto: Musik im Herzen und Politik im Kopf. Da allerdings noch viel mehr interessante Themen zwischen den beiden existieren, werden auch diese immer mal wieder aufgegriffen. Neben journalistischen Artikeln werden mit der Zeit auch Kommentare, Videointerviews oder Podcasts veröffentlicht. Jeden zweiten Samstag erscheint neuer Content zum Konsumieren. Damit ihr euch in der Zwischenzeit nicht langweilt, gibt es oben eine Playlist, die monatlich aktualisiert wird. Das war‘s erstmal, ich wünsche euch viel Spaß!

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