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Im Interview mit DJ Roller .Coaster: „Wir versuchen eine kleine Bewegung zu schaffen, sodass wir den Househeads im Ruhrgebiet was bieten können“

by Carla Cingil
03.06.2023

Er legt seit seinem 11. Lebensjahr auf, ist Resident im Hotel Shanghai, House Liebhaber und hat eine klare Mission: House wieder zurück in die Clubs bringen!

Es ist Freitagnachmittag gegen 16 Uhr. Völlig gehetzt und ohne Tabak warte ich am Essener Bahnhof auf die U11 Richtung Rüttenscheid. Ich bin auf dem Weg zu meinem Interview mit Roller .Coaster und mehr als spät dran. Als die Bahn endlich einfährt, quetsche ich mich zwischen eine Gruppe Jungs, die wohl gerade von ihrem Douglas-Ausflug zurückkommen. Für die kommenden 10 Minuten steh ich also inmitten von Jüngern des Duft Gurus Jeremy Fragrance – geil. Anstatt mich aufzuregen, krame ich die Kopfhörer aus der Jackentasche und drücke auf play. Es läuft der UTZI Podcast mit Roller .Coaster. Diese groovige Art von House Musik, die einen gleichzeitig vorantreibt und dennoch zum Gleiten bringt, lässt mich meine Umgebung komplett vergessen. Auf einmal öffnen sich die Türen der Bahn und ein/zwei tracks später stehe ich auch schon im Wohnzimmer von Roller .Coaster aka Leo und bekomme von seiner Freundin eine Tasse Kaffee in die Hand gedrückt. Ich setze mich auf eine gigantische grüne Couch, im Hintergrund läuft das Musikvideo zu Gettin´Jiggy wit it, was perfekt zur Stimmung passt. Leo sitzt vor mir, hinter ihm befindet sich ein langes weißes Regal mit unterschiedlichen Platten drin, obendrauf stehen zwei Plattenspieler und über diesen hängen diverse Cover von unter anderem Dr. Dre, Queen, Fugees und Aitch. Eins wird mir sofort klar: Hier wohnen Musikliebhaber.

 

C: Carla

L: Leo aka. Roller .Coaster

 

  • C: Wir schnacken ja heute über dich und deine Musik. Kennen tun wir uns eigentlich gar nicht, deswegen hab´ ich mal drei Fragen vorbereitet, um das zu ändern: Wer bist du? Was machst du? Und basierend auf deinen Charaktereigenschaften, wenn du ein Obst/Frucht oder Gemüse wärst, welches wärst du?

L: Also bei der letzten Frage muss ich mal ein wenig überlegen. Ich heiße Leo beziehungsweise Leonard, bin 24 Jahre alt, komme aus Mülheim an der Ruhr, also da bin ich aufgewachsen und ja, wer bin ich, was mache ich noch? Also, ich habe studiert- Wirtschaftspsychologie – und Musik habe ich eigentlich schon immer gemacht. Seitdem ich 11 bin, hab´ ich aufgelegt. Meine Eltern haben mir damals so einen kleinen Controller geschenkt und dann habe ich angefangen, bei meinen eigenen Geburtstagen aufzulegen, das hat sich dann rumgesprochen, sodass mich meine Freunde auch gebucht haben.

  • C: Süß, also wurdest du schon im Alter von 11 Jahren gebucht?

L: Naja, also mit 11 habe ich erstmal angefangen, mir Auflegen beizubringen. Ich glaub, mit 13 hab´ ich dann meine erste Geburtstagsparty geschmissen und dann haben mich meine Freunde teilweise auch schon für ihre Geburtstage und Veranstaltungen gebucht.

  • C: Not bad!

L: Ja, aber da war ich musikalisch noch nicht da, wo ich jetzt bin. Zu der Zeit war ich im EDM Bereich, Charts und was man halt so als Kind hört oder was die Freunde toll fanden, das habe ich dann gespielt.

  • C: Hast du auch sowas wie crazy frog gespielt?

L: Nee, so schlimm war´s nicht. Aber es war halt schon so Parookaville, Tiesto und David Guetta– Scheiss, ne.  Irgendwann hab´ ich mich dann aber auch musikalisch weiterentwickelt und mich so´n bisschen in die Underground Richtung bewegt, ich glaub, da war ich 15 oder so.

 

  • C: Klingt spannend, lass uns über deine musikalische Weiterentwicklung mal gleich weiter schnacken. Mir stellt sich nämlich gerade die Frage, wie du überhaupt in so jungen Jahren zum Auflegen gekommen bist.

L: Ich hab´ halt immer versucht, mir ´n Hobby zu suchen. Die anderen Kinder haben immer Sport gemacht und waren im Verein, das ging halt bei mir nicht und deswegen hab´ ich mit meinen Eltern überlegt, was man so machen kann. Gitarre und Klavier waren zu fein motorisch und dann hab´ ich mit 8 ein Schlagzeug bekommen, aber da war das Problem, dass ich da nicht so viel mit geübt hab, weil man sich da umsetzen musste und ich dazu nie so den perfekten Zugang zu hatte.

  • C: Ist halt auch ein Aufwand.

L: Genau, ich hatte einmal die Woche Unterricht, es dann aber zuhause nicht vertieft. Irgendwann hab ich´s dann aufgegeben und ab da ging´s eigentlich relativ schnell. Meine Eltern hatten 1-2 DJ Freunde und ich hab´ halt immer die Geschichten von ihren Auftritten und auch ihre Musik mitbekommen, das fand ich cool und dachte mir, dass ich das bestimmt auch gut kann. Immerhin sitzt man da halt nur irgendwo und mischt – das waren meine ersten Gedanken und joa, dann haben mir meine Eltern irgendwann einen kleinen Controller geschenkt und dann ging´s los, sich damit auseinander zu setzen. Das ist eigentlich so die grobe Geschichte wie ich überhaupt zur Musik kam, sag ich mal.

 

  • C: Sehr nice! Wie ging‘s denn dann weiter?

L: Also, die eigene musikalische Weiterentwicklung hat immer stattgefunden. Irgendwann hab´ ich angefangen, mich von dem kommerziellen Musikgenre abzugrenzen, weil ich gemerkt hab, dass mir die Mukke selbst auf den Sack geht und es auch noch andere Musik gibt, mit der man sich ein bisschen mehr beschäftigen sollte und die man auch erstmal finden muss. Mir ist aufgefallen, dass es auch mehr der Job eines wirklichen DJs ist, seinen eigenen Stil zu finden und nicht eben das zu spielen, was die Masse will.

  • C: Also hast du bis zu diesem Zeitpunkt nur Musik mit Vocals gespielt?

L: Ja, also klar, da ging es ja hauptsächlich darum, was die Menschen hören wollen. Da hab´ ich auch noch Wünsche entgegengenommen und teilweise auf Abibällen, Hochzeiten oder 60. Geburtstagen aufgelegt. Da konnte man natürlich gut Kohle verdienen, aber irgendwann hat´s mich halt auch nicht mehr erfüllt.

  • C: Verständlich. Durftest du zu dem Zeitpunkt denn auch einmal irgendwas Elektronisches, Housiges spielen, also so komplett ohne vocals?

L: Puh, gute Frage. Selten auf jeden Fall. Durchs Hotel Shanghai bin ich da später nochmal mehr reingerutscht, hatte aber schon vorher den Wunsch und war in der House / Techno Richtung unterwegs.

 

  • C: Wie kam´s dazu, dass du dich in dieser Musikszene zuhause gefühlt hast?

L: Das kam so´n bisschen durch Freunde, aber auch Freunde meiner Eltern, die auch DJs hier in Essen sind. Wir waren halt immer auf vielen Partys und ich glaube im Ski Urlaub war es dann so, dass ich gemeinsam mit einem Freund meiner Eltern aufgelegt hab. Das war einer der ersten Male, wo ich auch mal wirklich House Musik spielen konnte. Ich hatte ´ne House Music compliation von 10 tracks oder so und hatte sie ich auch irgendwie schon immer dabei, konnte sie bis dato nur nie spielen, weil sie keiner hören wollte. Aber da hat´s dann ganz gut gepasst.

  • C: Echt, auf einer Alm?

L: Ja, das war jetzt nicht so ´ne Schlager-Alm, die Leute haben das angenommen. Klar hatten die dann auch mal Bock auf Mitsingen und so, aber das war schon das erste Mal, dass ich diese Musik gespielt hab und joa dann hab ich mich damit immer weiter beschäftigt und mich von dem anderen Kram abgegrenzt. Joa bis heute geht das stetig mit der Weiterentwicklung voran. Mein Geschmack verändert sich immer wieder ein bisschen, aber ich bleibe schon immer in der House Musik, obwohl es da ja auch ganz verschiedene Unterkategorien und Subgenres mit verschiedenen Ausführungen gibt.

  • C: Kennst du die alle?

L: Joa, also alle wahrscheinlich nicht, aber es gibt Jackin´ House, Deep House, Tech House, Vocal House, Garage House, Chicago House, dann die ganzen Unterscheidungen eben von Detroit, New York, das sind dann die verschiedenen Herkünfte, die ihren eigenen Sound haben.

  • C: Ich merk schon, du hast auf jeden Fall Ahnung!

L: Joa, muss ne. Es ist mir halt voll wichtig, weil ich immer ganz picky bin was Musik angeht. Wenn mir ein track überhaupt nicht gefällt oder mich nervt, dann bin ich sofort raus oder schnell abgeneigt.  Deswegen hab´ ich immer versucht, das perfekte Genre zu finden – hab ich allerdings bis jetzt noch nicht.

 

  • C: Muss ja auch vielleicht gar nicht sein. Wenn du deinen Stil in 3 Worten beschreiben müsstest, welche wären es?

L: Das mache ich gerne! Auf jeden Fall minimal, also ich versuche immer gerne – also auch bei meinen eigenen Produktionen – mit so wenig Instrumenten wie möglich zu arbeiten, um auf einer einfachen Ebene zu bleiben, die, ich sag mal, auch jeder beim Hören versteht. Ich hab es echt gerne, wenn man die Verhältnisse unter den Instrumenten und unter den Rhythmen sozusagen nachvollziehen kann, sie einen aber trotzdem, überraschen und irgendwo mitziehen. Und groovy ist auch sehr wichtig! Ich versuche, aus wenigen Sachen teilweise einen komplexen Groove hinzukriegen. Minimal groovie und, hm, ja, was den Sound betrifft, ich such dafür gerade noch das Wort, aber sie dürfen mir nicht zu hart und zu anstrengend sein. Ich versuch immer soft, obwohl soft ist falsch, ja vielleicht angenehm und abgerundete Sounds zu kreieren.

  • C: Klingt schön! Wer oder was dient dir eigentlich so als Inspiration, also welche musikalischen Einflüsse hast du?

L: Das ist auch eine gute Frage, also ich höre viel Hip Hop und daher kommt auch viel Inspiration her, was Sounds und Rhythmen angeht, die versuch ich dann auch immer, in die House Musik zu bringen. Also viel Hip Hop, Anderson Paak ist zum Beispiel aktuell mein Lieblingskünstler, weil er auf allen Ebenen ziemlich geil ist. Also er spielt ja die drums, produziert selbst und hat einen Plan, was Image und so angeht. Hat ´ne super geile Stimme, rappt nice und singt cool. Und wenn´s dann mehr in die elektronische Musikrichtung geht, bin ich viel bei den House heros wie  Kerri Chandler zum Beispiel, der ist in New York zuhause. Sonst bin ich weniger an Künstler gebunden was die Inspiration angeht, weil ich da dasselbe Gefühl wie bei den Subgenres hab, dass ich nicht mit der kompletten Diskografie bzw. der Herangehensweise zufrieden bin.

  • C: Du bist schon ein bisschen picky, oder?

L: Ja voll, also wenn ich es nicht direkt fühle, dann tu ich mich teilweise schwer, mich nochmal damit auseinander zu setzen – was ich aber eigentlich mal tun müsste, weil sich mein Geschmack auch verändert – das hab´ ich auch gemerkt, aber ja, oft versteife ich mich auf einen Künstler und höre ihn viel. Sobald ich ihn jedoch entschlüsselt hab, fühle ich mich da nicht mehr so hingezogen und dann muss es weitergehen!

 

  • C: Was hältst du eigentlich von dem Trend, dass Musik härter und tranceiger wird?

L: Nicht viel. Weil es auch in die Richtung geht, die mir schnell zu nervig wird. Es ist einfach nicht groovy genug. Es darf halt nicht zu schnell sein. Bei meinen Sets geh ich nicht über 133 / 134 bpm.

  • C: Was ist so dein Standard?

L: Joa, so 120-135. Ich weiß, dass die Kids auf diese schnellen Sounds stehen, Mall Grab hat das ja auch komplett angeführt oder verfolgt das bei seinen Sets immer noch. Ich fühl´s aber einfach nicht, es catcht mich nicht. Ich brauche groovige deepe Sounds, mich kriegst du nicht mit so schnell auf die Fresse Mukke.

  • C: Glaubst du, dass der Trend bald vorbei sein wird? Immerhin endet ja jeder Trend irgendwann.

L: Ja schon, also der wird sich wahrscheinlich wieder abflachen. Das hat man bei Trap Musik ja auch gemerkt, Autotune usw. verschwindet ja auch immer wieder ein bisschen, es ist zwar immer noch da, aber nicht so krass wie vor 5/6 Jahren. Vielleicht bin ich dann ja mit der neuen Welle dabei mit deep classic House, 90er, ja, wer weiß, vielleicht kommt die deep House Richtung so´n bisschen hervor.

 

  • C: Wer weiß. Du produzierst ja auch eigene Musik, wie sind deine Sets aufgebaut? Benutzt du mehr tracks von anderen Menschen oder ausschließlich deine Musik?

L: Da ich ja erst seit 4 Jahren intensiv Musik produziere und noch einige Projekte unabgeschlossen sind, spiele ich in meinen Sets hauptsächlich tracks von anderen Leuten. Wenn meine Produktionen das hergeben, bringe ich sie auch mal rein, aber das ist ein eher kleiner Anteil. Ich bin mit dem Sound und der Qualität meiner Songs noch nicht da, wo ich gerne wäre und joa, deswegen mach ich das auch noch sehr verhalten. Ich will nicht, dass es sich Scheiße anhört.

  • C: Was gibt dir das Auflegen?

L: Energie auf jeden Fall! Wenn ich eine volle Tanzfläche hab´ könnte ich Tage lang auflegen.  Da hab´ ich Spaß und Freude. Ich weiß nicht, woher das kommt, dass mich das so berührt, aber es gibt mir auf jeden Fall sehr viel. Im Prinzip ist das alles, was ich brauche. Es bestätigt einen auch selber in der Art wie man Musik wahrnimmt. Ich hab´ das Gefühl, dass wenn ich auflege und nach mir jemand mit einem etwas härteren Sound kommt, dass der Laden oft schnell leer wird und genau deswegen hab ich auch die Party ins Leben gerufen, weil ich mir dachte, dass ich es ja vielleicht schaffe, die Leute länger zu halten und noch mehr zum Ausrasten zu bringen.

  • C: Sehr nice! Über die UTZI sprechen wie später nochmal mehr.

L: Es ist einfach das beste Gefühl, was es gibt, wenn die Leute dir das Gefühl geben, dass deine Musik geil ist und sie verstehen, was man sagen will. Ich will ja noch nicht mal was ausdrücken, sondern dass die Leute einfach Spaß haben und die Musik, die ich spiele, auch fühlen. Das ist eigentlich alles.

 

  • C: Passt ja ziemlich gut, dass du Resident im Hotel Shanghai bist. Wie kam´s dazu?

L: Ja, das ist ganz witzig. Ich habe damals beim DJ Contest mitgemacht, dessen Finale im Shanghai stattgefunden hat. Ich habe mich aber vorher schon oft dort blicken lassen und hab´ versucht so´n bisschen Connection zu Kay aufzubauen. Wir haben uns sofort gut verstanden und sind, seit ich 17/18 bin auch befreundet. Er war halt schon immer voll die Legende und das Hotel eine Art Kathedrale. Kay kam dann auch direkt zu mir und meinte: „Hey, ja, wir haben keine Klos für dich, die sind im Keller“. Ich glaub, das war das erste, worüber wir gesprochen haben. Ja und danach hab´ ich überlegt, wie ich es schaffe dort aufzulegen. Ich bin Kay nie auf den Sack gegangen. Hab´ ihm zwar einmal über Facebook was geschickt, aber das hat nicht gefruchtet, was ich allerdings auch verstehen kann, denn das fehlt ihm jetzt auch noch, dass ihm die Leute schreiben: „Lass mich mal auflegen, hier ist mein Soundcloudlink usw.“ – das geht ja auch unter. Jedenfalls hab´ ich dann irgendwann von dem Besitzer der MUPA einen Link zu einem DJ Contest bekommen, wo das Finale im Hotel Shanghai stattfinden sollte. Und da hab ´ich mich dann mit einem DJ Mix beworben und joa, tatsächlich kam´s dann dazu, dass ich im Finale auflegen durfte. Das war ein Event vor der Clubnacht und jeder DJ hat circa 1 Stunde aufgelegt, ich glaub, mit mir waren noch weitere 5 DJs im Finale.

  • C: Aber schon korrekt, dass du so weit gekommen bist!

L: Jaa, das war jetzt kein riesen Contest, aber das war mir ja auch eigentlich egal, ich wollte ja nur ins Shanghai. Etwas anderes gibt es ja auch nicht, das Studio war mir zu Techno lastig und Extasy mäßig. Ja gut, die Frohnatur gab es noch, da hab´ich später auch 1-2 Mal aufgelegt, aber jedenfalls durfte ich im Finale auflegen und wurde Zweiter. Direkt danach hat mich Kay dem Patrick vorgestellt, der hat die Lollywood Partys – das waren diese queer, schwulen Partys – veranstaltet und auf diesen Partys habe ich dann die ersten Male aufgelegt.

  • C: Und wie war das so?

L: Ja Wahnsinn, super cool. Hab´ immer das Opening gemacht, was jetzt natürlich nicht das Ziel generell ist, aber zumindest hab ich schon mal den Fuß drin gehabt und konnte zeigen, was ich kann. Ich hatte auch quasi stetig die Chance, meinen Stil den Leuten zu zeigen und zu gucken wie er ankommt. Gerade das hat mir auch im Verlauf mega viel gebracht, weil ich sonst auch nicht so wirklich die Gelegenheit hatte, House Musik zu spielen.

  • C: Also, hat dich das Hotel Shanghai dahingehend auch ein bisschen geformt?

L: Ja, auf jeden Fall! Das ist halt auch einer der Clubs, in dem ich mich zuhause fühle.

  • C: Was war denn so deine schönste Erfahrung bei einem Gig?

L: Ja tatsächlich, wenn ich meine eigenen Songs spiele. Ich war mal im Oma Doris, der Laden ist auch ziemlich cool in Dortmund, da hat Adele einen meiner tracks gespielt, sie auch Resident im Shanghai. An diesem Abend hab´ ich zum ersten Mal einen meiner Songs auf einer vollen Tanzfläche erlebt und das war schon sehr cool, weil die Leute auch abgegangen sind, das hat gut funktioniert. Und sonst hab´ ich eigentlich immer dasselbe euphorische Hoch, wenn das Shanghai voll ist, ich auflege und die Leute abgehen. Das ist jedes Mal das, wofür ich es mache, weil das einfach das Tollste ist.

 

  • C: Echt schön! Ich expose dich jetzt mal ein kleines bisschen, du sitzt ja im Rollstuhl, wurdest du eigentlich schon mal so stage diving mäßig von der crowd getragen?

L: Nicht beim Auflegen, aber als Gast selber.

  • C: Wie war`s? Ich stelle mir das ziemlich cool vor!

L: Ja, naja, ist schon nervig, weil die Leute meistens komplett besoffen sind und dich halt auch fallen lassen… Stage diving ist eigentlich so, dass ne Gruppe besoffener Engländer ankommt und dich hochheben will.

  • C: Ist ja schon nett, oder doch mehr nervig?

L: Ja, schon nett, aber mehr nervig. Als ich noch auf meinen ersten Partys als Gast war, war es schon ganz witzig –

  • C: Das passiert dir öfters?

L: Jaja klar, ich hab´ dann halt auch erst später gecheckt, dass die Leute das irgendwie wollen – besonders besoffene Engländer. Das ist genauso wie das Statement: „Boa voll cool, dass du hier bist. Da hab´ ich voll Respekt vor und so“. Das passiert mir auch im Shanghai und dann würd´ ich immer am liebsten sagen: „Jo, ich gehöre hier zum Inventar, also ich bin nicht hier, weil ich mich jetzt traue rauszugehen oder so“, das passiert halt echt oft. Ich weiß, dass die Leute das nicht böse meinen, aber es passiert wirklich echt oft. Ich hab´ da zwar nichts gegen, weil ich weiß, was die Leute sich dabei denken, das ist ja nichts Böses, aber das passiert so oft und ich denke mir immer nur, ja toll, danke.

  • C: Ja, dann musste dir mal so´n Schild kaufen mit: „Ìch gehöre hier hin, sprich mich bitte nicht an“.

L: Ja genau! Nein, also ich will auch nicht arrogant sein und bin dann auch immer nett bis ich merke, dass die komplett besoffen sind und dann auch mit so Geschichten ankommen wie: „Ich hab´auch Freunde, die im Rollstuhl sitzen, blabla “. Ja toll, lass mich in Ruhe, ich will feiern! Ich trinke auch nicht wirklich viel, also klar hier und da mal ein bisschen aber ich fahre auch meistens vom Shanghai mit dem Auto nach Hause, weil ich halt für die Musik da bin, das ist halt alles.

 

  • C: Stimmt, das ist ja auch die Hauptsache. Sag mal, wie sieht´s eigentlich so mit der Barrierefreiheit in Clubs aus?

L: Nicht gut.

  • C: Was muss verändert werden?

L: Ja, Toiletten sind das Krasseste und sonst alleine halt auch schon die Eingänge, es gibt viele Clubs mit Treppen und ohne Rampe etc.. Wenn man das vergleicht, ich bin oft auf Ibiza, da ist es halt so, dass die Clubs darauf ausgelegt sind. Das sind halt oft riesige Hallen mit mehreren Behindertenklos, die Securietes sind darauf abgestimmt und achten total krass darauf. Wenn ich zum Beispiel mitten auf der Tanzfläche stehe und sag, ich muss irgendwo hin, dann schmeißen die den Weg frei und rasten komplett aus, wenn sich jemand in den Weg stellt. Das ist schon ganz cool, auch in den ungerground Clubs in Ibiza ist das so. Aber in Deutschland ist das schon teilweise schwierig. Hier hab´ ich noch nie ein Barrierefreies Klo in einem Club gesehen.

  • C: Okay, ja krass, also wünschst du dir  mehr barrierefreie Klos,  Rampen etc.

L: Genau. Geh über die Rüttenscheider, ich komm wahrscheinlich in 20 Prozent der Läden rein, den anderen 80 Stufen sind. Aber das ist auch ein anderes Thema eigentlich, weil es wahrscheinlich total viel Aufmerksamkeit braucht, um eine Veränderung hervor zu bringen.

 

  • C: Ja interessant, darüber müssen wir ein anderes Mal weiter drüber quatschen! Dann kommen wir mal zum eigentlichen Thema zurück: Deiner Musik. Wie sieht dein aktuelles Set aus?

L: Joa, also, das würde ich auch mit den drei Worten von vorhin beschreiben. Also ich bin auf jeden Fall in der classic House Richtung zuhause. Ich brauche klassiche Housebeats, es darf nicht zu schnell sein, es muss tanzbar sein. Ich hab´ nichts gegen vocals, klassische house vocals kommen auch manchmal vor, allerdings nicht zu viel. Ich versuche immer, eine Spannungskurve aufzubauen, da orientiere ich mich auch mehr an den bpms, ich versuche immer, dass sich das Niveau verändert und nicht gleich bleibt. Ich hab´ auch gerne mal tracks, die nach banger eingebaut werden, die die Luft rausnehmen. Denn bleibt man immer auf einem Level, können die Leute auch nicht überrascht werden.

  • C: Klingt gut, am 11. März spielst du ja auf der UTZI im Hotel Shanghai, was ist das eigentlich?

L: Genau das! Wir versuchen mit der UTZI das Lebensgefühl Housemusik im Ruhrgebiet zu verbreiten und den Leuten es näher zu bringen, da wir glauben, dass das Angebot für diese Musikrichtung hier beim Ausgehen nicht so gegeben ist wie es die Musik verdient hat. Wir möchten so´n bisschen freaky sein, wie unser Artwork auch schon verrät. Design freaky und trotzdem minimalistisch. Mein Freund Lukas, mit dem ich die Veranstaltung mache und ich ergänzen uns da auch sehr gut. Ich bin halt eben mehr bei dieser classic House Richtung und er geht ein bisschen mehr in die experimentelle Richtung, schlägt aber nicht über die Strenge, sondern bleibt meiner Musik treu. Wir versuchen daraus, so eine kleine Bewegung zu schaffen, damit wir den Househeads im Ruhrgebiet was bieten können, versuchen es aber auch mit einer künstlerischen visuellen Art zu verbinden. Wir hatten eigentlich vor, einen lokalen Künstler mit ins Boots zu holen, aber das wird wahrscheinlich erst bei der nächsten Veranstaltung realisiert. Wir wollen die Musik in den Mittelpunkt stellen und dass die Leute, wenn sie die UTZI hören, sagen: „Okay geil, da wissen wir was wir kriegen“. Es ist qualitativ hochwertige Musik die man vielleicht nicht überall so bekommt, das geht ja auch konträr zum Trend, dass es immer schneller und härter wird. Ich glaube schon deswegen, dass wir da schon ganz gut am Zahn der Zeit sind, um eben nicht komplett mit dem Flow zu schwimmen.

 

  • C: Ich bin sehr gespannt! Willst du mir zum Schluss noch die Frage über deinen Charakter beantworten?

L: Jaa, ist nicht so einfach. Mein Lieblingsobst sind Bananen.

  • C: Was ist denn so ein Charakterzug von dir, der komplett heraussticht und den alle Menschen zuordnen können?

L: Ich bin picky, was Musik angeht und wenn ich irgendwo im Club bin und die Musik Scheiße ist, dann hab´ ich auch keine gute Laune.

  • C: Bist du eine Zitrone?

L: Hmm, ich weiß nicht, die versauert es ja ein bisschen – vielleicht zu negativ. Ich bin ziemlich straight, also gradlinig, immer ehrlich und wahrscheinlich manchmal zu naiv.

  • C: Oh bist du vielleicht eine Gurke? Wenn du sauer wirst, fängt das Wasser in dir an zu kochen.

L: Joa, ne Gurke könnte sein! Mit der Gurke komm ich klar, ja doch, da weiß man, was man hat!

 

INFO: 

UTZI 11. März im Hotel Shanghai, Essen I Beginn: 23 Uhr I Eintritt: 10 Euro

 

UTZI SoundCloudI  Roller .Coaster I Lux Lethal

 

 

 

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The Author

Carla Cingil

WER IST DIESE CARLA? Das bin dann wohl ich, Carla Cingil. Seit ein paar Jahren bin ich als Journalistin unterwegs und habe bereits für verschiedene Printmedien geschrieben. Nun habe ich mich dazu entschieden, meine eigene Plattform zu gründen. Warum? Ganz einfach: Damit ich tun und lassen kann, was ich will. Wenn ich mich mal nicht als rasende Reporterin versuche, studiere ich Politikwissenschaft, stehe auf der Theaterbühne, tanze irgendwo in der ersten Reihe oder schlendere durch Kunstausstellungen. In Carlas Kolumne geht es hauptsächlich um die Themen Musik und Politik. Stets nach dem pathetischen Motto: Musik im Herzen und Politik im Kopf. Da allerdings noch viel mehr interessante Themen zwischen den beiden existieren, werden auch diese immer mal wieder aufgegriffen. Neben journalistischen Artikeln werden mit der Zeit auch Kommentare, Videointerviews oder Podcasts veröffentlicht. Jeden zweiten Samstag erscheint neuer Content zum Konsumieren. Damit ihr euch in der Zwischenzeit nicht langweilt, gibt es oben eine Playlist, die monatlich aktualisiert wird. Das war‘s erstmal, ich wünsche euch viel Spaß!

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