Kunstnebel und Schweiß hängen in der Luft, abwechselnd blitzen blaue und orange Lichtstrahlen auf. Jeder zweite Mensch trägt eine Sonnenbrille, aus den Boxen dröhnen dumpfe Bässe und rasende Beats. Die tanzende crowd ist nach vorne zum DJ-Pult gerichtet, an den Decks steht Desroi oder mit bürgerlichem Namen Frederic Lindemann.
Wenn man seine Musik beschreiben möchte, kommt man um die Wörter schnell und hart nicht herum. Es ist eine Art von Techno, die den Fokus auf perkussiven Elementen hat, harmonische oder melodische Elemente findet man selten: „Ich höre oft das Wort düster, also ich kann das schon verstehen, aber selber sehe ich das nicht so.“, erklärt er.
Obwohl seine Tracks von vielen als dunkel bezeichnet werden, kann davon nicht auf die Person zurück geschlossen werden: „Ich bin kein wütender Mensch, aber manchmal ein bisschen melancholisch. Vielleicht ist das mein Weg, das in eine wütende Musik umzuwandeln.“, erzählt er lachend.
Was ihn von anderen Musiker:innen unterscheidet
Desroi studierte Integrative Komposition an der Folkwang Universität der Künste und hat dort gelernt, die Musik von einer Sounddesign technischen Perspektive zu betrachten: „Es geht mir auch manchmal gar nicht so um das Gefühl, sondern um die Oberfläche von einer Textur, also wie es sich anhört.“, erklärt er.
In seiner Musik versucht er, eine Atmosphäre um die einzelnen Elemente wie beispielsweise Kickdrums zu bauen und eine Textur drunter zu legen, die als Hintergrund dient und die dennoch im ganzen Stück präsent ist: „Sowas hat mich auch immer schon interessiert, also Texturen und Atmosphären in Musik.“
Nach zwei Jahren Corona break hat sich sein Stil ein wenig verändert: „Ich bin ein bisschen flotter geworden vom Tempo her. Wenn ich mich selber vergleiche von vor zwei Jahren, dann ist es ein bisschen funkier geworden. Es ist keine klassische funky Musik, aber es ist mehr Funk drin als früher, sagen wir so.“
Mittlerweile gibt es Techno Produzent:innen wie Sand am Meer. Obwohl alle Künstler:innen ihren einen eigenen Sound haben, sticht Desroi hervor.
Um zu verstehen, was seinen Sound von denen seiner Kolleg:innen unterscheidet, muss man sich den Entstehungsprozess anschauen. Er selbst besitzt ungefähr 20 analoge Synthesizer, mit denen er abwechselnd arbeitet: „Ich habe keine Maschinen, die sonst keiner hat, aber die Kombination aus ihnen und was ich damit mache, schafft, glaube ich, meinen eigenen Sound, den andere nicht haben, weil sie anders mit dem Instrument umgehen oder anders sie klingen.“
Man könnte davon ausgehen, dass er wie die meisten DJs oder Produzent:innen nach Berlin gezogen ist. Dem ist jedoch nicht so, stattdessen bleibt er seiner Heimat Duisburg treu, stets nach dem Motto: Berlin kann jeder, Duisburg muss man wollen.
Denn genau dort fing alles an. Seine erste Partyreihe veranstaltete er gemeinsam mit einem Freund im mittlerweile geschlossenen High Five Club: „Eine wichtige Erfahrung aus heutiger Sicht.“
Inzwischen ist die Liste der Clubs, in denen er auflegt, gewachsen. Nun legt er im Tersor oder im Druckluft auf. Aber auch Festivals wie das Voltage Festival in Belgien sind nicht sicher vor ihm.
Eine seiner schönsten Erfahrungen machte er auf dem ‚Up to Date Festival‘ 2019 in Polen:
„Das war special, weil es super groß war und ich die Bühne mit anderen DJs geteilt habe, von denen ich immer schon ein großer Fan war zum Beispiel Mike Parker oder Akronym, meine Idole, mit denen ich auf einmal spiele.“
Ob er nun vor einem kleinen Publikum in einem veranzten Club oder vor 15.000 Menschen auf einem Festival spielt, ist egal, es kommt ihm auf das Feeling an.
„Am schönsten sind die Momente, in denen man mit der crowd verschmilzt und es einfach nur noch vibed und es synchronisiert ist. Das passiert allerdings nicht so häufig wie man denkt, da die Leute heute irgendwie immer große Erwartungshaltungen haben. Am schönsten sind eigentlich die Gigs, wo man merkt, dass die Leute ohne Erwartungen hingekommen sind und man sie auf eine Reise mitnehmen kann.“, erklärt er.
Dass es schwieriger ist, die Menschen auf eine Reise mitzunehmen, ist laut ihm ein neues Phänomen, was besonders in den letzten Jahren stärker hervorgekommen ist: „Heute wissen die Leute genau, was sie wollen, was nervt, denn wenn man versucht, sie auf eine Reise mitzunehmen und dann mach mal schneller, mach mal härter hört, hat man eigentlich schon verloren.“, erklärt er. „Allerdings passiert das eher selten.“, fügt er hinzu.
Persönlicher Bezug zu Techno
Die Faszination für Techno entwickelte er in seiner Jugend, als er die Musik in einem Club hörte. An dem Gefühl hat sich bis dato nichts geändert: „Wenn ich selber feiern gehe, finde ich es immer schön, 5 Stunden einfach nur zu sein. Ich denke dann immer an nichts. Das ist ein Zustand, den Menschen relativ schwer erreichen können, einfach sein, ohne nachzudenken und die Welt herum auszublenden. Das macht Techno so geil.“
Heutzutage besitzt gefühlt jede Person mindestens ein Handy und ist auf Social Media aktiv. Durch die Flut an täglich neuen Eindrücken fällt es vielen schwer, komplett ohne Erwartungen zu einer Veranstaltung zu gehen: „Ich würde mir wünschen, dass die Leute wieder offen sind für Dinge, die sie nicht kennen oder auch Menschen und es wieder mehr um die Musik geht.“
Diejenigen, die jetzt Lust auf seine Musik bekommen haben, finden diese unter seinem Namen auf allen gängigen Kanälen wie Youtube, Spotify oder Soundcloud.
Bevorstehende Veranstaltungen findet man auf seiner Seite: https://ra.co/dj/desroi
oder auf seinen Instagram Account.
Wer ihn live sehen möchte sollte allerdings das Handy in der Tasche lassen, um sich komplett auf den Moment einzulassen und von ihm auf eine Reise mitgenommen zu werden.
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