Cis, han, xe? She/her, he/him, they/them? Binary, non-binary? Was bedeuten diese Begriffe eigentlich und wie verwendet man sie richtig?
Was für die einen zu ihrer Existenz gehört, nennen andere „gender gaga“ (Afd) oder „eine absurde Ideologie, die unseren Alltag erobern will“ (Birgit Kelle). Das Thema der gendergerechten Sprache spaltet die Gesellschaft und das ist im gewissen Maße auch gut, denn dadurch bekommt es mehr Aufmerksamkeit.
Natürlich sind nicht alle Menschen, die nicht gendern, strikt dagegen, viele wissen nicht, was alles dahinter steckt, sind sich der Wichtigkeit nicht bewusst oder haben einfach keinen Bock, sich mit dem Thema zu befassen.
Dabei ist die gender gerechte Sprache wichtiger denn je. Sie verhindert die Ausgrenzung und Diskriminierung von trans- und non-binary Personen. Sprache formt und bildet die Realität, weshalb sich jeder mal mit dem Thema auseinandergesetzt haben sollte.
Um sich in der gender gerechten Sprache und der damit verbundenen gender identity (Geschlechtsidentität) zurecht zu finden, muss man erstmal mit den Basics anfangen.
An dieser Stelle muss jedoch kurz gesagt werden, dass die deutsche Sprache trotz ihrer Vielfältigkeit bei diesem Thema an ihre Grenzen kommt, weshalb für ein besseres Verständnis zwischendurch auf englische Begriffe zurückgegriffen wird.
Der Unterschied zwischen Sex und Gender
Sex oder auch biologisches Geschlecht, ist ein Label, was einem auf Basis der Genitalien und Chromosomen während der Geburt verliehen wird. Im biologischen Geschlecht wird zwischen weiblich und männlich unterschieden. Gender oder das soziale Geschlecht ist mit einem gesellschaftlichen Set an Erwartungen verbunden, es werden Stereotypen gebildet, die vorgeben sollen, wie man sich zu verhalten hat. Diese Stereotypen gelten als stark kulturell definiert beispielsweise durch Spielzeug, Kleidung oder Bücher. Die bekanntesten sind wohl, dass Mädchen pink tragen, lieb und ruhig sind und Jungs das komplette Gegenteil sein müssen sprich: emotional zurückhaltend und stark. Obwohl diese Muster mittlerweile immer mehr aufgebrochen werden, gibt es noch immer eine Vielzahl an Menschen, die nicht aus ihren konservativen Köpfen ausbrechen können/wollen und andere aufgrund ihres Verhaltens unterdrücken- und/oder mobben und diskriminieren.
Gender Identity / Gender Expression
Die Art und Weise wie eine Person ihr gender nach außen hin beispielsweise durch die Kleidung oder die Stimme darstellt, nennt man gender expression. Im Gegensatz dazu ist die gender identity nicht direkt sichtbar, bei ihr geht es darum, wie man sich im Inneren fühlt. Sie entwickelt sich relativ früh im Alter von 2 oder 3 Jahren, kann sich aber auch noch im Erwachsenenalter ändern. Bei den meisten Menschen stimmt die gender identity mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht (Sex) überein, sie werden als cisgender bezeichnet. Bei Transgender-Personen weicht die gender identity in unterschiedlichem Maße von dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht ab. Manche Trans*Menschen verstehen sich als non-binary, sie identifizieren sich weder ganz/immer weiblich noch ganz/immer männlich.
Intergeschlechtliche oder inter* Menschen haben körperliche Geschlechtsmerkmale, die sich nicht nur als männlich oder nur weiblich einordnen lassen. Auch wenn es keine offizielle Statistik über den Anteil von inter*Menschen an der Gesamtbevölkerung gibt, liegen wissenschaftliche Schätzungen zwischen 0,02 und 1,7 Prozent. Das bedeutet, dass wahrscheinlich etwa jedes 60. Neugeborene Kind inter* ist (Fuchs/Ellerkamp 2016; Blackless 2000). Wenn man sich keinem Geschlecht zugehörig fühlt oder geschlechtsneutral ist, bezeichnet man sich als Agender.
Menschen, die die kulturellen Erwartungen in Bezug auf Geschlechterrollen, – identitäten, – ausdrücke oder -normen in Frage stellen, fallen unter die Definition gender expansive. Zwar unterscheidet sich der Begriff der gender expansive von dem der non-binary, jedoch wird er häufig verwendet, um non-binary und geschlechtsuntypische Menschen zu bezeichnen.
Wenn eine Person sich selbst und ihren Körper in Einklang mit der gender identity bringt, wird dies als Geschlechtsumwandlung bezeichnet. Wenn also eine Person mit weiblichen Genitalien geboren wurde, diese aber nicht mit ihrer eigenen Geschlechtsidentität übereinstimmen und sie diese anpassen möchte, befindet sich dieser Mensch in einer Geschlechtsumwandlung. Bei diesem Übergangsprozess kann es bei einigen Menschen zu einer Geschlechtsdysphorie kommen, die durch psychische Probleme aufgrund der Inkongruenz zwischen der bei der Geburt zugewiesenen Geschlechtszugehörigkeit und der Geschlechtsidentität verursacht wird. Man muss allerdings betonen, dass nicht alle Trans*Personen unter dieser Dysphorie leiden.
Sexuelle Orientierung
Diese bezieht sich auf die anhaltende körperliche, romantische und/oder emotionale Anziehung zu anderen Menschen. Dazu gehören heterosexuelle, lesbische, schwule und bisexuelle Orientierungen. Es gibt auch Menschen, die keine sexuelle Orientierung haben, sie sind dann meistens a-sexuell.
Geschlechtspronomen
Ein Thema, das in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit erregt hat, sind die verschiedenen Geschlechterpronomen. Aber was ist das überhaupt?
Jeder von uns hat sie und verwendet sie täglich. Denn Geschlechtspronomen werden verwendet, wenn man sich auf eine andere Person bezieht. Die bekanntesten sind: she/her, he/him und they/them. Wenn man als weiblich gelesen wird, verwendet man die Pronomen she/her, männlich gelesene Personen verwenden die Pronomen he/him und wenn sich jemand nicht dem klassischen Geschlecht zuordnen will oder geschlechtsneutral ist, benutzt die Person beispielsweise Pronomen wie they/them. Da sich mit they/them jedoch nicht jeder angesprochen fühlt, gibt es noch weitere Pronomen, die non-binary Personen verwenden. Neben dem schwedischen Pronomen „Henne“ gibt es auch deutsche Varianten wie „sier“, „sie*er“ oder „sie_er“. Weitere geschlechtsneutrale Pronomen sind „xe/xim“, bei denen das h aus den Pronomen he/him entfernt und durch ein x ersetzt wird. Sie können unabhängig von der gender identity oder gender expression verwendet werden.
Was passiert, wenn man einen Fehler macht?
Es ist vollkommen okay, wenn man sich zu Beginn ein paarmal verspricht oder die Pronomen falsch verwendet. Das LGBTQI+ Ressource Center sagt dazu: „Jeder macht von Zeit zu Zeit einen Fehler. Das Beste, was Sie tun können, wenn Sie das falsche Pronomen für jemanden verwenden, ist, sofort etwas zu sagen wie: Entschuldigung, ich meinte (Pronomen einfügen)“.
Zwischen Bürokratie und Politik
Obwohl die Mehrheit der Bevölkerung cisgender ist, ist es wissenschaftlich, rechtlich und ethisch problematisch, wenn cisgender als allgemeingültig für die gesamte Bevölkerung angenommen wird, wie es bei der gängigen binären Geschlechterabfrage implizit der Fall ist. Auch wenn grobe Schätzungen darauf hindeuten, dass kleinere Geschlechtergruppen nur einen geringen Anteil an der Bevölkerung ausmachen, rechtfertigt dies nicht ihren systematischen Ausschluss.
Im gesellschaftlich dominanten Verständnis von Geschlecht wird nicht anerkannt, dass es angeborene Variationen in den Geschlechtsmerkmalen gibt (Intergeschlechtlichkeit) und dass die Geschlechtsidentität nicht dem biologisch-medizinisch beschriebenen Geschlecht entsprechen muss (Transgeschlechtlichkeit, Gender Diversity).
Allerdings wird ein Wandel angestoßen.
2017 hatte das Bundesverfassungsgericht der Beschwerde einer inter*Person stattgegeben und entschieden, dass jenseits des binären Geschlechtsmodells auch ein positiver Eintrag möglich sein muss. Deutschland gehört seit Ende 2018 zu den wenigen Staaten weltweit, die die Existenz von mehr als zwei Geschlechtern rechtlich anerkennt. Inter*Menschen haben nun die Möglichkeit beim Eintrag ins Personenstandsregister außer den Geschlechtern männlich und weiblich auch die Option divers zu wählen. Auch in wissenschaftlichen Studien gibt es immer häufiger drei Antwortoptionen.
Damit trans*, intergeschlechtliche und non-binary Personen leichter ihren Vornamen oder den Geschlechtseintrag im Personenregister ändern können wurde vor wenigen Tagen ein Entwurf für das neue Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg gebracht. Der Gesetzesentwurf soll das aktuelle Prozedere, was zwei psychische Gutachten und eine Einzelfallentscheidung durch das zuständige Amtsgericht vorsieht, abschaffen (WDR 2023). Betroffenen Personen sollen in Zukunft nur eine einfache Selbstauskunft beim Standesamt abgeben (WDR 2023). Durch das neue Selbstbestimmungsgesetz würde das veraltete Transsexuellengesetz und die meist langwierigen und herabwürdigen Zwangsbegutachtungen wegfallen. Die Ressortabstimmung des Gesetzesentwurf soll noch vor Ostern starten, bis das Gesetz allerdings beschlossen ist dürfte es noch eine Weile dauern (WDR 2023).
Auch wenn die Entwicklung in Deutschland vorwiegend positiv ist, darf man nicht vergessen, dass die Situation global betrachtet nahezu katastrophal ist. Noch immer werden Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder gender Identity diskriminiert, misshandelt oder sogar verurteilt. Erst letzte Woche verkündete Uganda seinen neuen Entwurf für ein neues Anti-Homosexuellen-Gesetz, was erlaubt, Homosexuelle und Trans-Personen zu verfolgen, verhaften und sogar zum Tod verurteilen (Tagesschau 2023).
Für eine gleichgeschlechtliche Beziehung waren im Entwurf bis zu zehn Jahre Haft vorgesehen. Das gleiche gilt für Personen, die homosexuelle Menschen medizinisch versorgen, beherbergen oder ihnen rechtlichen Beistand leisten (Tagesschau 2023). Eine Parlamentarierin forderte zudem die Kastration oder Sterilisation von Homosexuellen (Tagesschau 2023). Dieses Gesetz sorgt dafür, dass Menschen ihre wahre Identität verstecken und sogar aus Angst ihr Heimatland verlassen müssen.
In 69 Staaten wird Homosexualität noch strafrechtlich verfolgt, in 11 Ländern droht ihnen sogar die Todesstrafe (LSVD). 2021 wurden in Deutschland insgesamt 1.051 Straftaten im Bereich der politisch-motivierten Kriminalität im Unterthemenfeld „Geschlecht/Sexuelle Identität“ und/oder „sexuelle Orientierung“ registriert, davon sind 190 Gewalttaten (LSVD). Die Dunkelziffer wird von Sebastian Stipp, einer von zwei Ansprechpersonen der Berliner Polizei für queere Menschen, auf 80 bis zu 90 Prozent geschätzt (rbb). Viele Fälle werden erst gar nicht zur Anzeige gebracht oder nicht richtig als Hasskriminalität vermerkt, sondern nur als Allgemeinkriminalität sprich: Körperverlertung, Nötigung, Beleidigung etc. (rbb).
Um einen Wandel herbeizuführen, muss man für mehr Akzeptanz in der Gesellschaft kämpfen. Es verlangt keiner von euch, dass ihr eure Pronomen in eure Insta Bio schreibt oder euch mit diesen vorstellt. Es soll einfach ein besseres Verständnis für andere Menschen geschaffen werden und darauf aufmerksam gemacht werden, dass Kleinigkeiten wie gendern oder die richtigen Pronomen zu verwenden den Stein ins Rollen bringen.
Jeder Mensch hat ein Recht auf ein Leben in Frieden und Freiheit. Es ist sowohl rational als auch emotional komplett katastrophal und skandalös, dass Personen aufgrund ihrer gender identity oder sexuellen Orientierung verfolgt, diskriminiert oder sogar umgebracht werden. Niemand hat das Recht, über andere Menschen zu bestimmen oder sie zu diskriminieren. Jeder kann einen Teil dazu beitragen, um der LGBTQI+ community zu helfen und die Akzeptanz in der Gesellschaft zu fördern. Dabei ist es komplett egal, in welchem Ausmaß man dies tut, ob man sich politisch engagiert, auf Demos geht, aufklärt oder einfach nur die gender gerechte Sprache verwendet, das ist jedem selbst überlassen. Eines darf man jedoch nicht und das ist tatenlos wegschauen.
Quellen:
Blackless, Melanie [u. a.] (2000): „How sexually dimorphic are we? Review and synthesis“. In: American Journal of Human Biology. 2000, 12, S. 151-166, hier S. 159, auf Grundlage einer Auswertung medizinischer Literatur zu Häufigkeiten im europäisch-amerikanischen Raum; UN (2018): „Fact sheet Intersex“; S.1. https://www.unfe.org/wp-content/uploads/2017/05/UNFE-Intersex.pdf.
LSVD: Homophobe Gewalt: Angriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche Menschen (LSBTI). https://www.lsvd.de/de/ct/2445-Homophobe-Gewalt. https://www.lsvd.de/de/ct/1245-LGBT-Rechte-weltweit.
rbb (2019): Berliner melden so viele Übergriffe auf queere Menschen wie nie. https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2019/05/maneo-report-berlin-polizei-uebergriffe-auf-queere-menschen.html.
Tagesschau (2023): Eines der „schlimmsten seiner Art in der Welt“. https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/uganda-lgbtq-gesetz-un-101.html
WDR (2023): „Würde der Betroffenen berücksichtigen“. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/selbstbestimmungsgesetz-gesetzesentwurf-101.html.