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Im Interview mit OTR44: „Rap ist Konkurrenzkampf und kein Hippiekollektiv“

by Carla Cingil
06.09.2024

Bochum, Dienstag, circa 17 Uhr. OTR44, Mitglied der Rap-Crew Schummlaz, steht entspannt vor dem Hauptbahnhof. Wir ziehen los Richtung Graffiti-Laden. Auf dem Weg erzählt OTR44 von seinem neuen geheimen Tape „Afterhour“, das gleich ein Fan abholen kommt. Geheim, weil das komplette Tape ohne Feature-Namen und ungemischt rausgebracht wurde und man die 10 Tracks nur auf CD hören kann: „Wir haben uns dazu entschieden, es so rauszubringen, damit es nur die Personen erreicht, die dazu einen Zugang haben. Inhaltlich ist das schon relativ stumpf. Einfach Party, Lifestyle, Drogen und Punchline-Rap. Wer sich das anhören will, muss sich also darum kümmern!“ Wir laufen durch die Straßen, streifen vorbei an der „Todesszone“ aka Bermudadreieck und landen schließlich in einem Hinterhof zwischen Bahngleisen und Containern.

Was ist das hier für ein Ort?

Da hinten haben wir früher viel gemalt und hier im Riff hab‘ ich mal als Schlepper während meiner Studienzeit gearbeitet – echt harter Job. Tatsächlich verbinde ich jetzt nicht so krass viel mit dem Ort, außer dass man mitten in der Stadt schnell Ruhe findet und hier Quatsch machen kann.

Deine Musik in wenigen Worten:

Ich wusste, dass sowas kommt… Okay, meine Musik ist Untergrund. Sie entsteht schnell und ist nicht gut durchdacht. Ich find‘, sie muss schnell entstehen, weil ich da nicht so verkopft reingehen will. Der Vibe muss einfach stimmen. Ich hab‘ noch ein Wort: Meine Musik ist hedonistisch.

Hedonistisch?

Ja, irgendwie schon. Das ist der Teil von mir, der einfach auf alles scheißt. Also wenn man darüber nachdenkt, was ich so von mir erzähle, dann sind das eben nicht die Sachen, die gut durchdacht sind.

Wovon erzählst du so?

Ich hab‘ mir bei meiner Spotify Beschreibung ein bisschen Mühe gegeben, vielleicht brauch ich die jetzt mal eben: „Rap über Straße, Graffiti und Betäubungsmittel. Verbales Randalieren nach der Kneipentour oder zwischen Taxicalls und Straßenbombing.“ Das fasst es ganz gut zusammen.

Ich hab‘ das Gefühl, du bist ein Mensch, der Spaß an Battlerap haben könnte

Ja, auf jeden Fall! Ich feiere auch Dissen und so. Zum Beispiel dieses Boloboys Ding – wir dissen die ein bisschen, aber es ist halt sportlich und wenn mich jemand zurück disst, fände ich das geil. Das belebt auch einfach die Musik. Obwohl Beslik klar geht, muss man dazu sagen. 

Gibt es denn Gruppen, die man ernsthaft batteln könnte?

Ne, tatsächlich nicht so richtig.

Vermisst du sowas beziehungsweise hast du Bock auf diese Battle?

Ich hab‘ richtig Bock darauf. Rap ist Konkurrenzkampf und kein Hippiekollektiv. Dieses „Wir haben uns alle lieb, Boom Bab und Cypher, wir stellen uns in einen Kreis und jeder macht Freestyle“ – das ist Schmutz. Jeder hat seine Gang, jeder will der Krasseste sein. Darum geht es einfach im Rap, genau wie im Graffiti oder sonst irgendwo. Du willst halt einfach der Krasseste sein und das funktioniert nun mal nur mit Konkurrenz.

Hast du mit Battlerap angefangen?

Ne, ich hab‘ tatsächlich schon so mit 13, 14 gerappt und später hatten wir dann auch eine Gruppe, die Euphon Gang. Das waren aber andere Jungs als bei Schummlaz. Die Sachen von damals haben wir auch alle wieder rausgenommen. Wir haben uns damals an amerikanischem Trap orientiert – wir wollten einfach mega cool sein und angeben, weißt du?

Wer hat dich damals so inspiriert?

Diese Anfang Soundcloud-Rap-Zeit, diese amerikanischen Sachen haben mich inspiriert. Wen gab‘s da? Lil Yachty zum Beispiel, sowas halt. Aber das findet man jetzt so nicht in meiner Musik wieder. Das war halt die Anfangszeit, da hab‘ ich noch ganz anders gerappt.

Hast du auch mal auf englisch gerappt?

Ne, immer auf deutsch. Die deutschen Rapper, vor allem die Berliner, hatten auch einen großen Einfluss auf meine Musik. Die Sachen, die von mir mittlerweile online sind, sind eher inspiriert von diesem Graffiti-Kneipen-Rap.

Glaubst du, das hängt damit zusammen, weil du 13 Jahre in Berlin gewohnt hast? Oder eher wegen der Szene?

Schon eher wegen der Szene. Wir dachten uns, warum gibt‘s das im Ruhrpott nicht? Hier hängen halt alle in dieser Boom-Bap-Psychose fest.

Das magste nicht so?

Ne, das kotzt mich an Alter. Wenn man hier mal Trap-Beats bringt, können die Leute damit nicht so viel anfangen. Für die ist echter Rap Boom Bap, aber für mich ist das einfach überholt. Mir geht’s auch gar nicht darum, dass man keinen Boom Bap Track machen kann – ich hab‘ auch welche, so ist es nicht – aber sich nur darüber zu definieren, was soll das denn? Das ist einfach veraltet. Ich feiere auch Haschi und was er macht, das ist geil. Ich verstehe auch, warum Leute im Ruhrpott darauf abgehen, aber ich wünsche mir, dass die Menschen ein bisschen offener für neuen Sound sind. Mein Ziel ist es, den Leuten näher zu bringen, dass man nicht immer nur auf altbewährte Muster setzen muss.

Wie kam‘s zu deiner Rap-Crew Schummlaz?

In der letzten Zeit war ich eng mit den Jungs connected. Wir haben uns immer gegenseitig gefeatured und standen dann zusammen auf den Bühnen und haben gerappt. Irgendwann dachten wir uns, warum geben wir dem Ganzen nicht einfach einen Namen und machen zusammen Action? Da ist dann ja auch mehr Power dabei.

Seit wann gibt es euch?

Seit letztem Jahr, das ist tatsächlich noch alles ziemlich neu. Wir haben erstmal zwei Singles rausgebracht und dann die EP, auf der wir alle drauf sind. Das war Vol. 1 und Vol. 2 ist quasi auch schon fertig und wird so schnell wie möglich kommen.

Ihr seid alle hier aus der Ecke, richtig?

Ja, genau. Also ich bin aus Bochum und Louis Beton und Swin auch. Olaf627 kommt aus Herne und Sir Babyjoe aus Dortmund. Es ist ja sowieso so, dass man innerhalb von 10 Minuten in Dortmund oder Herne ist.

Du warst ja letztens in deiner Stadt Voract bei den Saftboys. Wie war‘s und wie kam‘s überhaupt dazu?

Ein Kollege von mir ist über Graffiti mit denen connected und hat mich halt vorgeschlagen, als sie nach einem Voract für Bochum gesucht haben. Dann haben die mich auf Insta angeschrieben und ich war natürlich sofort dabei. Es war super, die Jungs waren alle hammer korrekt.

Was erwartet uns sonst noch dieses Jahr?

Als Erstes kommt dieses Jahr Vol. 2 mit den Schummlaz, und danach werde ich wahrscheinlich wieder ein paar Solo-Sachen machen.

Letzte Frage, du hast sie auch eigentlich schon so ein bisschen beantwortet, aber was wünscht du dir für Deutschrap?

Eigentlich bin ich voll zufrieden, weil jeder das machen kann, worauf er Bock hat. Es ist leicht geworden, Dinge zu produzieren, das ist halt geil. Früher musste man erst irgendwelche Leute finden. Ich meine, wie schwer war es früher bitte, ein Video zu drehen? Jetzt kannst du einfach eins mit deinem Handy aufnehmen.

Aber das bedeutet ja auch, dass der Markt mit richtig viel Scheisse überflutet wird

Ja, das wird er ja sowieso, aber das ist okay. Die guten Sachen kristallisieren sich heraus und ich find‘s auch voll legitim, irgendeinen Scheiß hochzuladen. Also, gib ihm.

Ich würd‘ dafür appellieren, dass alle, die Bock haben, Musik zu machen, es einfach machen sollen. Sie sollen es als Hobby betrachten und nicht denken, dass sie gleich als Rapstar durchstarten können, denn das ist Quatsch. Wenn es klappt, dann klappt‘s, aber man sollte keine falschen Illusionen haben, denn jeder rappt und das ist auch vollkommen okay. Jeder ist auch Fotograf oder macht Graffiti usw. Wenn du deine Sachen gut findest, dann lad die einfach hoch. Denk nicht lange drüber nach, sondern mach einfach dein Ding. Du musst nicht überall der Krasseste sein, mach einfach das, worauf du Bock hast.

 

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The Author

Carla Cingil

WER IST DIESE CARLA? Das bin dann wohl ich, Carla Cingil. Seit ein paar Jahren bin ich als Journalistin unterwegs und habe bereits für verschiedene Printmedien geschrieben. Nun habe ich mich dazu entschieden, meine eigene Plattform zu gründen. Warum? Ganz einfach: Damit ich tun und lassen kann, was ich will. Wenn ich mich mal nicht als rasende Reporterin versuche, studiere ich Politikwissenschaft, stehe auf der Theaterbühne, tanze irgendwo in der ersten Reihe oder schlendere durch Kunstausstellungen. In Carlas Kolumne geht es hauptsächlich um die Themen Musik und Politik. Stets nach dem pathetischen Motto: Musik im Herzen und Politik im Kopf. Da allerdings noch viel mehr interessante Themen zwischen den beiden existieren, werden auch diese immer mal wieder aufgegriffen. Neben journalistischen Artikeln werden mit der Zeit auch Kommentare, Videointerviews oder Podcasts veröffentlicht. Jeden zweiten Samstag erscheint neuer Content zum Konsumieren. Damit ihr euch in der Zwischenzeit nicht langweilt, gibt es oben eine Playlist, die monatlich aktualisiert wird. Das war‘s erstmal, ich wünsche euch viel Spaß!

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