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Fetische – Das Tabuthema No.1

by Carla Cingil
07.09.2022

Was hat es eigentlich mit Fetischen auf sich? Warum tragen Menschen sie nicht offen aus oder verheimlichen sie sogar? Was macht sie so verrucht?

Wenn eine Person dir bereits vor dem ersten Date von ihren Fetischen erzählt, müssen die meisten erstmal schlucken. Aber warum ist das eigentlich so? Warum ist es eine Art Tabu- bzw. ein Thema, was man eher im Hinterzimmer bespricht? Diese Frage stelle ich mir schon eine ganze Weile.

Hört man das Wort Fetisch, denken die meisten sofort an Lack und Leder. Aber hinter diesem Mythos steckt mehr. Warum kennt man nur eine handvoll Menschen, die offen zugeben, dass sie einen Fetisch haben, obwohl es statistisch gesehen eigentlich viel mehr sein sollten? Warum haben Menschen Angst davor zu ihren Vorlieben zu stehen und sie außerhalb ihres safe spaces auszuleben? Die Antwort auf all diese Fragen ist simpel: Intoleranz.

Also Leute, falls ihr es nicht schon längst getan habt, ist es nun an der Zeit, alles stehen und liegen zu lassen und die Lesebrillen aufzusetzen, denn jetzt werdet ihr aufgeklärt!

Fangen wir erstmal mit den basics an, was versteht man eigentlich unter einem sexuellen Fetisch?

Laut Focus bezeichnet der Begriff im Allgemeinen ein Objekt, das sexuelle Begierde auslöst. Dabei muss es sich aber nicht unbedingt um Objekte handeln, auch Körperteile wie Hände, Haare oder Füße können zu sexueller Erregung führen. Verschiedene Szenarien oder Fantasien können ebenfalls als Fetisch gezählt werden. Das wichtigste für einen Fetisch ist, dass die sexuelle Erregung unabhängig vom Gegenüber stattfindet1.

Der wohl bekannteste Fetisch im Mainstream ist der Fußfetisch. Auf pornhub findet man unter dem Suchbegriff ‚foot‘ 60200 Treffer, zum Vergleich: Bei dem Wort ‚boy‘ gibt es nur 35946. Egal ob in der Malerei, im Film oder in der Musik, Füße werden oft thematisiert. Quentin Tarantino macht kein Geheimnis daraus, dass er sie toll findet, genau so wenig wie Andy Warhol oder Rapper Can mit Messer.

Spätestens jetzt sollte klar sein, dass dieser Fetisch sehr weit in der Gesellschaft verbreitet ist. Aber warum ausgerechnet Füße?

Das für viele Menschen wohl unattraktivste Körperteil – quasi langgezogene Hände , die permanent den Boden berühren. Außerdem versteckt man sie die meiste Zeit in Socken und Schuhen und wenn man sie befreit,  riechen sie nicht gerade appetitlich.

Was macht sie so attraktiv?

Ganz einfach: Ohne sie wären wir ziemlich arm dran. Sie tragen uns den kompletten Tag herum und genau diese Tatsache finden manche anziehend. Eine andere und vielleicht sogar plausiblere Erkenntnis liefert die Wissenschaft. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man noch nicht schlüssig erklären, wie sexuelle Neigungen und Vorlieben entstehen, es gibt allerdings verschiedene Ansätze.

Einer bezieht sich auf die unterschiedlichen Areale in unserem Gehirn und deren Verortung. Das Limbische System ist für die sexuelle Erregung zuständig. Nebenan befindet sich der sensomotorische Cortex, welcher aus zwei Teilen besteht. Der eine steuert unsere Bewegungen, der andere verarbeitet Berührungen und die dabei wahrgenommenen Empfindungen in Sinneseindrücke. Das Areal, welches durch Empfindungen rund um unsere Füße aktiviert wird, liegt in der Nähe des Limbischen Systems. Daher wird vermutet, dass es bei manchen Menschen zu einer Übersprungsreaktion kommt, wenn Füße berührt werden.

Ein anderer wissenschaftlicher Ansatz geht von einer genetischen Grundlage aus. Im Laufe der Evolution galten Frauen mit kleinen Füßen als besonders fruchtbar. Demnach hat sich eine Prädisposition entwickelt, die bei manchen Männern deutlich ausgeprägter ist als bei Frauen. Auch diese Hypothese konnte bislang nicht zu 100% bestätigt werden.

Aber genug davon, im Prinzip ist es ja vollkommen nebensächlich, wie ein Fetisch entsteht oder wie er sich ausdrückt , es geht vielmehr darum, wie Menschen damit umgehen.

Die Akzeptanz für Fetische im Allgemeinen ist in der Gesellschaft nicht wirklich groß. Das führt dazu, dass viele in die Tiefen des Internets ausweichen müssen, um ihre Vorlieben auszuleben.

Welche Frau kennt es nicht, man ist auf Social Media unterwegs und nach einer gewissen Zeit flattern die Anfragen nach Fußbildern oder getragenen Socken in die DMs. Normalerweise ignoriere ich diese Nachrichten, aber eines Tages dachte ich mir: Na gut, wollen wir doch mal herausfinden, was und vor allem wer dahinter steckt.

Also antwortete ich dem Account ‚geldsklave__‘, der mich nach Bildern/Socken im Austausch für Geld gefragt hat. Da ich keine 0815 Reportage à la: „Wie ich meine getragenen Socken im Internet verkauft habe“ oder „Perverse im Internet – So verdient man schnelles Geld“ schreiben wollte – konzentrierte ich mich auf die Person, die hinter dem Account steckt. Stets nach der Frage, was treibt eine Person an , solch einen Account zu erstellen und im Internet auf Sockenjagd zu gehen?

Geldsklave ist 28 Jahre alt und entdeckte seinen Fetisch in der Pubertät, verstand ihn allerdings erst im Alter von 17/18. Er erzählt mir, dass er zur Zeit single sei und daher diesen Account erstellt hat. „Es ist einerseits natürlich der Geruch, aber auch die Wahl zu haben, von wem man etwas nimmt. Man bekommt eventuell Socken von einer Frau, bei der man sonst eventuell niemals eine Chance hätte“, verrät er. Die Socken behält er jedoch in der Regel nicht, da es immer noch ein Fetisch ist: „Was abseits vom Schnüffeln passiert kann man sich ja denken“. Seit fünf Jahren ist er auf Instagram unterwegs und gibt monatlich zwischen 100 und 700 Euro für Socken aus. „Ich schäme mich nicht für meinen Fetisch, aber wegen der beruflichen Aspekte mache ich es online unter einem Pseudonym“. Da stellte sich mir natürlich die Frage, ob manchmal auch mehr als ein paar Bilder rausspringen: „Klar hat man dadurch Menschen kennengelernt, oft sind es Frauen, die das ganze Thema interessant finden und es weiter erkunden und ausleben  . – Wie ist es einen Mann , unter sich zu haben , der die eigenen Füße/Socken im Gesicht hat, wie anders das Gefühl ist , wenn man einen Foot- oder Sockjob bekommt oder gibt und wie stimulierend es ist , wenn man den Fuß der Dame leckt egal ob mit oder ohne Socke“.

Dass Menschen wie Geldsklave sich im Internet verstecken müssen, hat also verschiedene Gründe, aber warum hat es dennoch einen komischen Beigeschmack? Ich meine klar, der Gedanke, dass jemand einen anschreibt, um seine persönliche sexuelle Befriedigung zu haben, ist schon skurril. Aber bleibt ihnen eigentlich eine andere Wahl?

Was also können wir tun, um Fetische nicht mehr als ein Tabuthema zu betrachten?

Wir könnten offener und toleranter mit diesem Thema umgehen, denn in einem Land, in dem die LGBTQI+ Bewegung weit verbreitet ist und sogar Labels damit werben, sollte da nicht auch Platz für die Akzeptanz von Fetischen sein? Viele Menschen verheimlichen ihre Fetische, da sie Angst haben, für diese verurteilt oder ausgelacht zu werden. Natürlich ist es vollkommen okay, wenn man einen Fetisch nicht teilt, aber jemanden aufgrund einer Neigung zu schikanieren ist falsch.

Dieser Artikel soll kein Aufruf zum Sockenverkauf sein, er soll vielmehr ein Bewusstsein für Fetische schaffen und klarstellen, dass es nicht schlimm ist, einen zu haben und dass man sich dafür auch nicht schämen muss.

Natürlich werden jetzt diejenigen von euch aufschreien, für die es kein neues Thema ist, da sie offen und tolerant sind. Aber diejenigen, die vielleicht zu Beginn nur auf diesen Artikel geklickt haben, weil sie es für etwas Verruchtes und Trashiges gehalten haben – vielleicht haben euch diese Zeilen gezeigt, dass man Menschen nicht verurteilen oder auslachen sollte. Bevor ihr das nächste Mal auf Menschen trefft, die andere Vorlieben haben als ihr selbst, denkt immer daran: Die Devise lautet leben und leben lassen.

 

 

 

 

1https://praxistipps.focus.de/was-ist-ein-fetisch-definitionen-des-begriffs_126195

2https://www.arztphobie.com/psychologie/sexualitaet/podophilie/

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UP To Date. Mit der etwas anderen Kolumne für neugierige Menschen

The Author

Carla Cingil

WER IST DIESE CARLA? Das bin dann wohl ich, Carla Cingil. Seit ein paar Jahren bin ich als Journalistin unterwegs und habe bereits für verschiedene Printmedien geschrieben. Nun habe ich mich dazu entschieden, meine eigene Plattform zu gründen. Warum? Ganz einfach: Damit ich tun und lassen kann, was ich will. Wenn ich mich mal nicht als rasende Reporterin versuche, studiere ich Politikwissenschaft, stehe auf der Theaterbühne, tanze irgendwo in der ersten Reihe oder schlendere durch Kunstausstellungen. In Carlas Kolumne geht es hauptsächlich um die Themen Musik und Politik. Stets nach dem pathetischen Motto: Musik im Herzen und Politik im Kopf. Da allerdings noch viel mehr interessante Themen zwischen den beiden existieren, werden auch diese immer mal wieder aufgegriffen. Neben journalistischen Artikeln werden mit der Zeit auch Kommentare, Videointerviews oder Podcasts veröffentlicht. Jeden zweiten Samstag erscheint neuer Content zum Konsumieren. Damit ihr euch in der Zwischenzeit nicht langweilt, gibt es oben eine Playlist, die monatlich aktualisiert wird. Das war‘s erstmal, ich wünsche euch viel Spaß!

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